Samstag, 19. Oktober 2013

Abschied ins neue alte Leben


Nein, kein Bär hat mich erwischt, kein Schlagloch, kein übrig gebliebener Tschernopilz, sondern die Uni...

Ich bin jetzt seit Ende August wieder in Österreich, alles hat also planmäßig funktioniert. Die letzten Tage sind schnell verflogen, zum Abschied wurde genauso viel Kaffee und Tee getrunken wie in meiner ersten Woche, der letzte Abend wurde in der Dorfdisko gefeiert. 






Das letzte in Angriff genommene Projekt war eine Badezimmerrenovierung bei uns im Ziviheim. Hinter dem "Fenster" kam eine Dichtung aus Plastiksackerl und anderen spannenden Dingen zum Vorschein, wir haben dann ein von Vermieter Juras gebautes echtes Fenster eingesetzt. Beim Verfliesen galt es einige Hindernisse zu überwinden, waren die Fliesen doch eher nach geometrischen Maßstäben gefertigt und die Wand sanft hügelig wie die Karpaten. Naturgewalt eben. Das Problem wurde mit viel Fliesenkleber gelöst. Dann noch Wände und Decke weiß gestrichen, und schon sieht unser uriges Zivibadezimmer wie ein 4-Sterne Hotelzimmer aus. Hundertwasser wäre stolz auf uns...
Unser Nachfolger wird es also beim Duschen etwas europäischer und wärmer haben. Trotzdem ist da die kleine Stimme in mir, die sagt dass mit solchen Arbeiten Stück für Stück der Reiz der Ukraine verloren geht... Aber die Stimme freut sich dann doch, dass die Wände nicht mehr schimmeln ;)

"Fenster"

Bei der Arbeit

Nobel, oder?
   


Mein Jahr Zivildienst ist vorbei, so endet hiermit auch dieser Blog. Das mit dem regelmäßig Bloggen hat ja nicht so ganz funktioniert. Alle zwei Wochen ein Post waren ursprünglich geplant. Naja, ich hoffe ihr habt trotzdem einen guten Eindruck des Lebens in Königsfeld gekriegt!

Was ist nun mein Resümee, mit ein bisschen Abstand betrachtet? Puh, schwer zu sagen, mit Enden tu ich mir immer schwer... 
Ich kann nur sagen, wenn ich jetzt hier in Graz dem Herbst beim Golden-Sein zuschaue denk ich an die Zeit vor genau einem Jahr, als alles neu und aufregend war in Königsfeld. Als ich die Sprache noch nicht konnte, die Leute noch nicht kannte und etwas naiv war, was das Leben im Osten angeht. Als der Winter noch bevorstand. Ja, diese Herbstluft, diese Atmosphäre! 

Aber bevor der Computerbildschirm noch eine Träne abdrückt vor lauter Sentimentalität, erzähl ich als Abschluss lieber die Geschichte, wie ich heimgekommen bin:

Da der VW Bus noch draußen bleiben musste, musste ich mir eine andere Möglichkeit suchen, nach Österreich zu kommen. Öffentliche Verkehrsmittel, wird da der gelernte Mitteleuropäer vorschlagen. Auf nachfrage beim Bahnhof in Ushgorod, wie man denn nach Wien komme, wurde ich an einen Provinzbahnhof verwiesen, denn in Ushgorod ist man nicht zuständig für Zugpläne Richtung Westen. Vlt hätte ich mal heimfahren sollen, in Wien Meidling nachfragen, wie man aus der Ukraine nach Meidling kommt, und mit diesem Wissen wieder zurück an den Ausgangspunkt... 4 Mal umsteigen wäre nötig gewesen.
Ich habe dann jemanden gefunden, der mich aus Königsfeld mit dem Kleinbus mitnimmt.
9 Uhr war die Abfahrt geplant, um 10 hat mir der Chaffeur mitgeteilt, er "stehe dann eh gleich auf" und müsse "nur noch" den Wagen einräumen...
Um 12 sind wir dann losgekommen. Die ersten paar Kilometer musste ich stehen, denn die Rückbank musste erst noch eingebaut werden. Bei der Schlaglochralley durch den Ort keine leichte Aufgabe. Schließlich hielten wir, eine kleine PKW Rückbank wurde in den Laderaum des Kleinbusses gestellt. Eingebaut? Nein, nicht eingebaut, einfach hineingestellt. Bitteschön, dein Platz für die nächsten 12 Stunden.
Bei jedem Bremsmanöver und jeder Kurve bewegte sich die Bank um einen halben Meter in sämtliche Richtungen.
Die Grenze musste ich natürlich zu Fuß überqueren, denn die Rückbank war ja nicht so ganz zugelassen...
Nach gefühlten hundert Zwischenstoppen und Umwegen kam ich um 5 Uhr früh in Wien an, wo ich bei einem Verwandten schlafen konnte.  Die Heimreise war ein letzter Gruß der Ukraine, um sicherzustellen, dass ich sie nicht vergesse ;)







Samstag, 10. August 2013

Summertime


35 Grad, und es wird noch heißer...
Nachdem wir Anfang Juli in Kiew waren und die Kinderferienaktion erfolgreich über die Bühne gegangen ist (mehr dazu im nächsten Post) stecken wir jetzt mitten drin in den unendlichen Weiten eines ukrainischen Sommers, dessen Grenzen nur die gelegentlich auftauchenden Gewitterwolken am ansonsten geradezu голубий-blauen Himmel und mein näher rückendes Zivildienstende bilden.
 
Summertime in Königsfeld ist schön, ist frei, ist Badengehen im wilden Fluss, springen von den eingestürzten Betonwänden des Hochwasserschutzes, die 1998 das Hochwasser mit sich gerissen hat.
Summertime sind Grillabende, Lagerfeuer, Gitarren- und Sopilka Zweiklang und Fluchen über Hitze und Schlaglöcher.
Die kuscheligen Winterabende, geprägt von Im-Ofen-Holz-Nachlegen, Stromausfällen Schneechaos und Tee sind unendlich weit weg, und nur die allerortens aufs zerhackt und geschlichtet werden wartenden Holzhaufen erinnern daran, dass es nicht immer Sommer bleibt...
Wir sind den Holzmengen für unseren Nachfolger bereits mustergültig mit Kettensäge und Beil zu Leibe gerückt, inzwischen liegt es wehrlos und genau so schwitzend wie wir in der Holzhütte.



Die Menschen mit den blauen Händen,

die man zurzeit überall sieht, haben keine Erfrierungserscheinungen oder anteckende Krankheiten, sondern sind im derzeit lukrativsten "Gewerbe" tätig, dass es in der Umgebung gibt: Dem Schwarzbeersammeln.
Die auf Ukrainisch Jáffyne genannten Beeren wachsen in unglaublichen Mengen auf den umliegenden Almen und sind in den Städten sehr begehrt.Und so führen mehrmals pro Woche mehrere Lastwägen eine Menge Menschen auf die Alm, die den ganzen Tag Beeren sammeln und sie dann für ca. 1,40 € pro Kilo an die Lastwagenfahrer verkaufen. Eine Person schafft an guten Tagen schon mal 20 Kilo.
Ich wollte selbst mal mitfahren und mir das anschauen, da es allerdings um 2 Uhr früh losgeht habe ich bis jetzt noch keine Zeit dafür gefunden... Jáffyne hab ich mir aber ein Kilo gekauft.




Ausflug nach oben

Letztes Wochenende führte uns Valentin auf einen Berg zwischen Lupochowo und Königsfeld, auf dem der Fernsehturm steht, der die Menschen früher mit den neuesten Ergüssen der kommunistischen Parteizentrale und heute mit Dayli-Soaps á la "Papa allein zu Haus" versorgt. Ein Hoch auf den Sieg des Sozialpornos, ähh, des Westens mein ich...

Der Aufstieg auf den Berg bei Kaiserwetter zeigte uns neben unserem Fehlen von Kondition absolut geniale Landschaftsbilder, und später dann den Fernsehturm, der 40 Jahre alt, 60 Meter hoch, mit einer Architektur aus Stahl und Beton in den Boden gerammt, als würde er bis zur Sonnenexplosion da stehen und komplett verrostet ist. Also durch und durch sowjetisch!

Und wir sind natürlich raufgeklettert...  


Einer der vielen  Bunker aus dem zweiten Weltkrieg, von den faschistischen Ungarn erbaut, um die Rote Armee aufzuhalten. Heute beliebter Kinderspielplatz 



Fest gemauert in die Erde...

In den "Eingeweiden"


Ausblick auf Königsfeld

Die Spitze war dann doch unerreichbar...

unendliche Landschaften!!! (man beachte die 2 Zivis in der Mitte des Bildes!)



 

Samstag, 20. Juli 2013

Scheibliki schießen


Seit vielen vielen Jahren findet in Königsfeld, zur Zeit der sonnen-wenten, ein ganz besonderes Ereignis statt:
Die altösterreichische Tradition des Scheibliki-Schießens, die in Österreich und allen anderen Gegenden der Welt (soweit mir bekannt) seit vielen Jahrzehnten vergessen ist, wird hier als einzigartiges dreitägiges Fest gefeiert:

Am Wochenende um die Sonnenwende, heuer von 21. bis 23. Juni, geht alles was Beine hat abends auf einen Berg, der zwar nicht besonders hoch ist, aber mit einem Zugangspfad aufwarten kann, der es in sich hat. Ein unglaublich steiles Hochkriechen durch halb felsige, halb matschige Wildbachschneisen, mit dem für die veranstaltung nötigen Gepäck nicht ganz einfach zu bewerkstelligen, aber das simma ja eh schon gewohnt.
 

Was sind Scheibliki?

Scheibliki sind annähernd quadratische Holzstücke mit Loch in der Mitte, etwa zehn Zentimeter Seitenlänge, ca. einen Zentimeter dick, Volumen, Dichte, Masse, Umkreismittelpunkt etc unbekannt, mir zumindest. Wer Lust hat kann sich´s ausrechnen.

Die Größe des Loches in der Mitte variiert allerdings, was oben genannte Mittelwertberechnungen erschwert, aber nichts weiter zur Sache tut. Das Loch ist unterschiedlich groß, weil es exakt auf einen fast zwei Meter langen Stecken passen muss, und die ja alle unterschiedlich dick sind.

Und was macht man damit?

 Auf dem Berg gibt es ein Feuer, idyllischerweise (wiedermal) auch aus Autoreifen. Den dabei entstehenden tiefschwarzen beißenden Rauch sieht man im Finstern aber fast nicht.
In dieses Feuer hält man die auf die Stecken gespießten Scheibliki, bis sie glühen. Dann stellt man sich an eine eigens konzipierte Rampe, setzt zweimal an und schleudert den Scheiblik beim dritten Mal von der Stange in die Nacht, wo er eine weit fliegende, rot glühende Sternschnuppe bildet. Wenn man das kann. Ich hab ein paar Versuche gebraucht...

Das wichtigste dabei ist aber, dass man während dem Schießen einen altösterreichischen Spruch singt. Nicht nur man selber, sondern alle, die herumstehen, und einen anfeuern.

Nachdem die meisten Königsfelder kein Deutsch mehr sprechen und die Tradition schon sehr sehr alt ist, existieren die abenteuerlichsten Varianten der Zeile. Nach ein bisschen Recherche haben wir in einem alten Buch gefunden, dass es ursprünglich so geht:

Sonnenwenten, sonnenwenten, Scheeeeeiiiiibenschlog, dos hot jo da (Namen einfügen) gschlogn. ....Unter d´ Scheibelbaunk einigschlogn. Juhuuuu!!!!  


Pascha, bestens ausgerüstet

Scheibliki ins Feuer halten

Auf die Rampe, fertig, los!




Nach getaner "Arbeit"


Irgendwann sind alle Scheibliki verschossen, man lässt sich zu Schaschlik und ethanolhaltigen Getränken nieder, bricht vielleicht unregelmäßig in "Sonnenwenten" Gesänge aus (erinnert an Festival- "Helga"?!) und freut sich ansonsten über den bevorstehenden Sommer, den fast vollen Fastvollmond und eine gelungene Sonnwendfeier. An diesen drei Tagen fühlt sich jeder der Teilnehmer ein bisschen an den Ursprung Königsfelds als altösterreichisches Dorf erinnert, und vielleicht sogar selbst ein bisschen österreichisch.



Falls irgendjemand meiner Leser die Tradition des Scheibliki Schießens von älteren Verwandten oder aus Geschichten kennt, ich freu mich über Infos darüber. Hab die Tradition aus Österreich nicht gekannt!



Donnerstag, 13. Juni 2013

Wonnemonat Mai


So, diesmal fang ich ganz ohne Entschuldigung an, warum ich schon wieder so ewig nichts geschrieben hab...
Ja, es gab VIELE Stromausfälle, und ja, wir sind SEHR mit der Kinderferienaktion beschäftigt, und ja, in Lupochowo hat ein Bär einer Kuh das Euter abgebissen. Aber das alles tut nichts zur Sache und wenn ich mich aufgerafft hätte, hätte mich nichts davon wirklich daran gehindert, einen neuen Eintrag zu machen. Ganz besonders nicht die Sache mit dem Bären, die aber trotzdem ein recht interessanter Fakt ist, wie ich finde.
Für die, die das hier gar so harmlos sehen...

Also zunächst einmal war es sommerlich, Anfang Mai. Und dann hat es geschüttet, drei Wochen lang, und alle hatten so einen Grant auf das Wetter, dass ich mich richtig heimatlich gefühlt habe.
Als es einen Tag mal nicht geschüttet hat, gab es in Dubowe, der nächstgrößeren Stadt (naja), ein Fest. Es gab LifeMusik und es sind die singenden Babuschkas aus Lemberg aufgetreten, die durch die Ukrainische Version von X-Faktor berühmt wurden.
Die waren ziemlich cool und haben zwischen ihren Liedern ständig Witze gerissen, von denen ich sogar ein paar verstanden hab. "Ich bin die absolute Traumfrau mit den Maßen 90-90-90, und das ist nur der Hals..."

Singende Omas in Dubowe, mit Hammer Choreographie!


Außerdem ist bereits vor drei Wochen die Schule zu Ende gegangen. Die Sommerferien hier dauern drei Monate. Um den Kindern in der langen Freizeit eine Beschäftigungsmöglichkeit zu geben, findet in den ersten drei Ferienwochen ein sogenanntes "Lager" in der Schule statt. Dort wird gezeichnet, gebastelt, Ausflüge gemacht... Leider hats die ganze Zeit geregnet.

Hier zwei Fotos vom "Ostanij Zwonik", dem Fest der letzten Schulglocke:

Schulabschlussfeier in Deutsch Mokra


Schulabschlussfeier in Königsfeld


Die Kinderferienaktion


Inzwischen sind wir voll mit den Vorbereitungen der Kinderferienaktion beschäftigt, unserer größten Arbeit neben der Weihnachtsaktion.
Von 05. bis 26. Juli haben Kinder aus Königsfeld und den umliegenden Dörfern die Möglichkeit, Urlaub bei Gastfamilien in Oberösterreich zu machen, dort Deutsch zu sprechen, ein bisschen was von der Welt zu sehen... Einige der Kinder aus dem Tal waren noch nie in Ushgorod, Österreich ist für sie auf der anderen Seite der Welt.
Manchmal habe ich das Gefühl, der Staat will gar nicht, dass es guten und effektiven Sprachen-, Geographie- oder Geschichteunterricht gibt und die Kinder gewisse Zusammenhänge erkennen, geschweige denn im Ausland geschätzte Fähigkeiten aufbauen.
Einer Studie nach (weiß allerdings nicht, wo die herkommt, hab ich nur gehört) wollen 80 Prozent der jungen Ukrainer auswandern. Da muss man als verantwortungsvolle Nation doch dagegensteuern...
Eine weitere interessante Studie sagt übrigens, dass ganze ZWEI Prozent der ukrainischen Straßen Europäischen Standards entsprechen. Ausbaufähig...
 Gesehen auf

www.ukraine-nachrichten.de

eine Super Website mit wahrheitsgetreuen Nachrichten, die so in Österreichischen und Deutschen Medien nicht behandelt werden.
Aber zurück zur Kinderferienaktion. Unsere Aufgabe ist es, die Dokumente für alle Kinder und Begleitpersonen zusammenzusammeln, und das sind gut 15 pro Person... und sie mit Hilfe unserer Deutsch-Ukrainisch Spezialistin Natalja zu übersetzen. Wenn wir alles haben, (WENN wir jemals alles haben) fahren wir nach Kiew zur Botschaft um damit die Visa zu beantragen. Das sollte in nächster Zeit  passieren. Bin schon gespannt, die Hauptstadt der Ukraine life zu sehen...

Into the wild

Nachdem die Mai-liche Sintflut geendet hat und es endlich halbwegs anständiges Wetter gibt, habe ich gemeinsam mit Mitja, der zwar gleich abenteuerlustig ist wie ich, aber zehn Mal mehr Kondition hat, beschlossen, einen Fahrradausflug über die Berge zu machen.
Dort, noch hinter Deutsch-Mokra, wo man ja bekanntermaßen das Ende der Welt erwarten würde, wenn sie denn doch eine Scheibe wäre, weiter hinter den sieben Bergen, liegt die sagenumwobene Stadt Kolochawa.

Um die zu erreichen muss man einen Weg betreten, den man nicht wieder verlässt, ohne sich zu verändern... (Namentlich tut einem ganz unglaublich der Hintern weh...)
Es geht also mitten durch eiskalte Bäche und 30 Zentimeter tiefe Schlammstrecken auf Berge hinauf und wieder herunter. Oben von der Alm hat man einen super Ausblick, der fast an die Steiermark erinnert :)
Und dann die große Überraschung. Die Zufahrtsstraße nach Kolochawa ist ASPHALTIERT, und zwar dermaßen neu und lückenlos, wie ich es in den letzten neun Monaten nicht gesehen habe!
Von uns aus gesehen liegt die Kleinstadt zwar jenseits von gut und böse, vom Nachbarrajon (Bezirk) aus ist sie aber gut zu erreichen und ein bekannter Touristenort. Es gibt dort einige interessante Museen, zum Beispiel ein Freilichtmuseum mit alten Häusern, Zügen etc. Wir sind leider nicht lange geblieben, weil uns ein Gewitter im Nacken gesessen ist.



Ein Teil des Museums. Wie früher üblich waren Autos und Busse auf den Schienen unterwegs.


Mittwoch, 1. Mai 2013

Ostern

Das Leben geht hier seinen gewohnten Gang, nur dass es immer wärmer wird und alle dem griechisch katholischen Osterfest entgegenfiebern, das am 05. Mai stattfindet. Das ganze Land steckt im Putzwahn, die Schlaglöcher werden ausgebessert, an den Straßen stehen Schulklassen, die den Müll aufsammeln (um ihn dann nach Ostern wieder in den Wald zu werfen...?) Alles muss perfekt sein.

Blumen werden gepflanzt, Beeteinfassungen, Steine, Baumstümpfe und alles, was den dorfverschönernden Kindern unter die Finger kommt, wird (typisch ukrainisch) weiß angemalt, was wirklich cool ausschaut.

Da viele der doch sehr trinkfreudigen Ukrainer in der Fastenzeit strengstens auf Alkohol verzichten, liegt zudem ein gewisses erwartungsvolles Knistern in der Luft, was sich nicht allein mit der Auferstehung des Herrn erklären lässt. Auch die zurzeit nur sporadisch geöffneten Gasthäuser und die Dorfdisko sperren dann wieder auf.

Im Zuge der Ostervorbereitungen wurde auch fleißig geschlachtet, auch wir waren von unseren Freunden eingeladen. So eine echte ukrainische Schlachtung kann man sich natürlich nicht entgehen lassen, und so bin ich (mit einem mulmigen Gefühl) der Einladung gefolgt. Wer mich kennt weiß, mein Motto lautet, je mehr Blut desto besser...

Die besagte Ziege musste nicht lange leiden, und wenn man schon Fleisch isst kann man sich auch durchaus anschauen, wo es (Zumindest im Idealfall) herkommt, finde ich. ... Ich habe allerdings nur zugeschaut.


vorher...

nacher...

Home sweet home

Die schlechte Nachricht lautet, dass der von uns und unserer Organisation in Linz geplante Hilfstransport nicht stattfinden konnte, weil die werten Damen und Herren in Kiew die nötigen Dokumente nicht rechtzeitig bereitstellen konnten. Die sind wie gesagt 300 Humanitäre Hilfsaktionen im Rückstand, und entgegen aller Hoffnungen ist es sich nicht ausgegangen. Jetzt kommt der Hilfstransport wahrscheinlich im September.


Abseits all dessen versuchen wir, unseren "Garten" ein wenig herzurichten, volles Programm samt Hängematte und Erdbeersträuchern. Eine Terasse ist in ferner Zukunft in Planung, solche Vorhaben werden aber immer wieder von diversen Ukrainischen Eigenheiten behindert. So lag zum Beispiel eines schönen Morgens ein gigantisches Metallding vor usnerer Haustür, das entfernt an ein NOKIA Handyladegerät aus dem Jahre 1704 erinnert, in Wirklichkeit aber ein Stromkasten ist, der darauf wartet, von unserem Vermieter Jura, der Elektriker ist, repariert zu werden. Dort liegt es immer noch.

Beim Unkraut jäten
Suchbild: Wo ist das Hady-Ladegerät?
In die Blumenbeete vor unserem Haus haben wir die gigantischen Mengen ÖVP-Werbegeschenk-Mohnsamen gesät, die wir im hinterletzten Eck unserer Abstellkammer gefunden haben. Den freilaufenden Hühnern hats gut geschmeckt... Keine Ahnung wie lange die bei uns gelegen haben, auf den Samen-Packungen war aber immerhin schon Landeshauptmann Pühringer abgebildet. Die kleineren Kinder haben gefragt ob denn jetzt lauter so komische Männer aus unseren Beeten wachsen. Wer weiß...


Diese und andere Kleinigkeiten zeigen, dass dieses Land sich mitsamt Flora, Fauna und Stromkästen dagegen sträubt, sich zu verändern, im Guten wie im Schlechten. Dennoch wird es unsere "Welt" hier in ein paar Jahren nicht mehr geben. Also, sich selbst ein Bild machen, solange es noch geht!

Donnerstag, 28. März 2013

Von Visawahn und Sprachstolpereien



Ein kurzes Gedicht als Anfang:


Wenn´s im Internetcafe kein Internet gibt
Und das Hausinternet sich in Schnecken verliebt
Und vü passiert, oba olles so gach
Issas mitm Blogschreiben relativ zaaach


Das Abrutschen in Mundart sei dem Reimschema geschuldet.

Überhaupt und sowieso weiß ich inzwischen nicht mehr, was ich, oder besser gesagt, wie ich was sagen soll. Auf Ukrainisch kein Problem, da kann man alles sagen, weil Ukrainisch ist Ukrainisch, und je mehr man redet, desto mehr übt man. (Auch wenn nicht alle alles verstehen, was ich sage…)
Mit Deutsch bin ich allerdings vollkommen überfordert inzwischen, schwanke irgendwie zwischen Hochösterreichisch, Philipps polnisch angehauchtem Wienerisch, meinem Grazerisch und dem hundert Jahre alten Oberösterreichisch von hier.
Vor allem wenn Österreicher zu Besuch kommen, ist´s schwer sich für eines zu entscheiden. Zu den namentlichen Österreichern komme ich gleich…

Das große Thema der letzten Wochen war der Hilfstransport für Königsfeld, der Ende April über die Bühne gehen soll und dazu erstmal von der dafür zuständigen Kommission in Kiew genehmigt werden muss. Besagte Kommission ist aber mal eben ein paar hundert Hilfstransporte im Rückstand, weil seit einigen Monaten keine Sitzung mehr stattgefunden hat, und somit ist es wie immer spannend, ob die Dokumente rechtzeitig da sind… (Sind sie eh, im Endeffekt funktioniert dann immer alles. Weil wir so viele tolle Leute kennen, die Leute kennen…)     

Außerdem sind wir nach unzähligen bürokratischen Hürden jetzt endlich im Besitz unserer Visa, was heißt dass wir aus- und auch wieder einreisen dürfen! Schaut voll offiziell aus, und wenn jemand nicht kyrillisch lesen kann gehen wir doch glatt als waschechte Ukrainer durch, oder?
 (Foto folgt)

Vor zwei Wochen war mich ein Teil meiner Familie besuchen, brachte mir eine Klappbox voll mit Österreichischen Leckereien und nahm die Straßenverhältnisse leichter als ich gedacht habe. Zur Feier des Tages gab es einen ukrainischen Abend bei uns, mit vielen ukrainischen Gästen, ukrainischer Life Musik und natürlich den typisch ukrainischen Ripa na spor! (Kartoffeln am Tischherd.) 
Außerdem habe ich jetzt ein Fahrrad hier, was mich sehr freut. Und sobald das scheinbar ewige Eis auf den Straßen geschmolzen ist, wird auch kräftig geradelt! 
Denn noch schneits es ab und zu her und wir haben abends kuschelige -5 Grad.

Doch das war noch nicht der ganze Besuch! Zurzeit sind einige Kinder/Jugendliche in Königsfeld, um ihre Freunde von der Sommeraktion zu besuchen. Interkulturelle Verständigung lebt, und es tut gut zu sehen, was die Landlerhilfe bewirken kann.
Allzu viel „anzuschauen“ im herkömmlichen touristischen Sinne gibt es zwar nicht, aber wir tun unser Bestes, um ihnen die guten Seiten des Lebens hier nahe zu bringen.   

Währenddessen ist ganz still und heimlich meine "Halbzeit" hier verstrichen, und mittlerweile bin ich schon 7 Monate hier. Wahnsinn! Die Zeit vergeht echt schnell...
 
Und deshalb (weshalb?) gibt’s jetzt erst mal eine Woche Ferien in Österreich. Frohe Ostern!


Montag, 18. Februar 2013

Alle Sünden sind vergeben - Ukrainische Sauna


Was macht der Ukrainer an einem eiskalten Samstagnachmittag im Februar? Er geht in die Sauna. Und was macht der Österreicher? Er geht mit.
Zu fünft wanderten wir mit Handtuch und Badehose bewaffnet einen Hügel ein Stück oberhalb des Dorfes hinauf, wo sich eine der sogenannten „Banjas“ befindet.   
Dort bekamen wir erst mal stilvolle Filzhüte, um unsere Köpfe vor der Hitze zu schützen. Und dann ging´s ab in den Saunaraum. Die echte ukrainische Sauna erreicht Temperaturen von 120 Grad, bei uns waren´s "nur" 110. Im Vorfeld hatte ich Angst, umzukippen, aber im Endeffekt war´s dann eh ganz, naja, kühl wars nicht, aber überlebbar.

In den Pausen zwischen den jeweils  15 minütigen Saunagängen wird sich erstmal im Schnee gewälzt, dann werden traditionell ein Glas Wein getrunken und  rohe Fischstücke gegessen, die im gleichen Maße gesalzen sind, wie es in der Sauna heißt ist. Schmeckt gar nicht schlecht wenn man sich darauf einlässt!




Der Saunabesuch war die Belohnung für die sportliche Betätigung zuvor: 


Inzwischen weiß ich schon, dass es sinnlos ist, sich hier im Vorhinein etwas auszumachen, weil Spontanität alles ist. So auch Samstag Vormittag:     

9 Uhr früh, wir beide schlafen noch. Auf einmal  stürmen ein paar Freunde von uns in Schimontur in unser Schlafzimmer und sagen: "So wir machen jetzt eine Schneewanderung. Du hast 10 Minuten zum Anziehen. Tja, wieso nicht^^

Schischuhe in den Rucksack, Schi geschultert, und hinauf auf die Alm! Zur Belohnung des dreistündigen Beraufstapfens gabs eine geniale Aussicht, eine Pause in der Hütte und eine Abfahrt quer durch den Wald.

 
 


Freitag, 1. Februar 2013

Hitler kaputt! - Stalin auch...

Politisch unkorrekte Schneeballschlachten und Anderes


Das Wetter schwankt derzeit zwischen einerseits eiskalt, windig, starker Schneefall und extrem eisig und andererseits Wärmeperioden mit Regen und Gatsch. Letztens legte sich wieder mal Neuschnee über den bereits gefrorenen. Zwar nicht viel, aber genug, um Schneebälle zusammenzukratzen und an unsere Tür zu werfen. Zu absolut nachtschlafender Zeit (10 Uhr vormittags) dermaßen rüde geweckt, habe ich kaum eine andere Möglichkeit als das Frühstück runter zu schlingen und mich mit Anorak und Handschuhen bewaffnet in den Krieg zu stürzen. 

Dass dieser von den Kindern durchaus ernst genommen wird, zeigt ein triumphierendes „Hitler kaputt!!“ wenn mich ein Schneeball ins Gesicht trifft. Im ersten Moment perplex kontere ich mit „Stalin auch“, der Wurf ging aber leider daneben.

Diesen Ausspruch, mit dem ich ab und zu sogar von Kindern am Schulhof begrüßt werde, habe ich zuerst als ein Beispiel dafür gesehen, wie sehr die Schrecken der Vergangenheit der alten Generation hier noch in den Knochen sitzen, und an die Jüngsten weitergegeben werden. Laut Natalja allerdings eine Überinterpretation. Jeder kennt die Phrase, aber vor allem die Kinder wissen meist nicht im Geringsten, was sie bedeutet oder wer Hitler überhaupt war. Ein weiterer Brocken „Reichsdeutsch“, den jedes Kind lange vor dem Schulalter kennt, ist „Hände hoch“. Auch als sich zwei 13-Jährige Mädchen im Zuge eines Kinderspieltags bei uns mit Schminke Hakenkreuze auf die Wangen malten, verstanden sie meinen Ärger nicht.
Resümee: Auf die Vermittlung dieses Themas wird eben leider nur in Österreich und Deutschland solchen Wert gelegt.

 

Weitere Dinge, die man (nicht) ganz unbedingt wissen muss:


In Ushgorod gibt es ein Seil, eine sogenannte „Zigeunerwetterstation.“ Absolut zuverlässig: Wenn das Seil trocken ist, scheint die Sonne. Wenn das Seil nass ist, regnet es. Wenn es hart ist, gibt es Frost. Und wenn man zwei Seile sieht, ist es Zeit, heimzugehen. 
(Dank an Valentin für den Beitrag J)
 
Was hat der echte Ukrainer in seinen Taschen? - Semitschki! Das ist das Ukrainische Wort für Sonnenblumenkerne, die hier in  solchen Massen verputzt werden, dass sämtliche amerikanischen Chipshersteller neidisch sein können. Um eine Schale mit den Zähnen zu knacken, das Innere zu essen und die nächste zu ergreifen braucht ein Ukrainer eine Sekunde. Maximal. Zumindest schauts so aus. Die Schalenberge sind beachtlich... 
 
Und zum Schluss noch ein lebensnotwendiger Leckerbissen für Linguistiker: Chinakohl heißt auf Ukrainisch „Pekingkraut.“

 

Golden Handshake

 

Noch etwas Gewöhnungsbedürftiges: Das Händeschütteln hat hier eine viel stärkere Bedeutung als in Mitteleuropa. Wenn man einen Raum mit 15 Menschen betritt, muss man umhergehen und jedem die Hand geben, bevor man sich setzt. Unabhängig davon, ob man sie kennt oder nicht. Wenn man einen Freund trifft, schüttelt man ihm immer die Hand, auch wenn man ihn erst vor einer Stunde zum letzten Mal gesehen hat.
Dies gilt aber nur für Männer. In den Wochen nach meiner Ankunft habe ich ganz selbstverständlich auch Frauen die Hand gegeben, wenn ich eine Runde begrüßt habe. Die wussten aber nicht viel damit anzufangen und sahen mich stirnrunzelnd an, manche ergriffen meine Hand nach kurzem Zögern, andere gar nicht. Eine Ausnahme ist Natalja, für die es als „westlich orientierte Frau“ ganz selbstverständlich ist, begrüßt zu werden wie ein Mann.


Inzwischen habe ich gelesen dass es äußerst unhöflich ist, Frauen, die man nicht oder kaum kennt, so zu begrüßen. Wird wohl noch ein paar Jährchen dauern bis sich das hier ändert.


Der skurrilste Auswuchs dieser Sitte ist es, wenn nicht nur Burschen, sondern sogar Kleinkinder verlangen, auf diese Art begrüßt zu werden. Wenn mir ein Vierjähriger geschäftsmäßig die Hand hinstreckt und ich sie nicht ergreife, ist er sozusagen in seiner Männlichkeit beleidigt. Ach, du segensreiche Vorbildfunktion der Erwachsenen…


                             
                                                 

 
Eine Möglichkeit, dem Begrüßungswahnsinn auszukommen, ist mein Status als „Hilfslehrer“. Denn dass man als Lehrer die Kinder in der Schule nicht von Gleich zu Gleich behandeln kann, wird verstanden.    

 
 
 
 


 
 
 

Dienstag, 8. Januar 2013

Winterwonderworld


Back to wonderland


Nach zwei Wochen Visa-mach/Weihnachtsurlaub sind wir wieder da. Bei der Rückfahrt gab es trotz des dermaßen mit Hilfsgütern vollgestopften VW Busses, dass wir uns selbst gerade so mit Müh und Not noch unterbrachten, keine Probleme an der Grenze. Unser Autoradio ist zwar immer noch kaputt, aber der Arien schmetternde Emil Emilowitsch hat uns bestens unterhalten. 

In Königsfeld angekommen erwartete uns nicht nur eine verschneite (und eisige) Gegend, sondern auch unser Vermieter Jura, der während unserer Abwesenheit netterweise unsere Wände neu gestrichen und unser Ziviheim geheizt hat.

 

Schifahren auf Ukrainisch


Am Tag vor dem ukrainischen Weihnachten am 7.Jänner waren wir auf der Turbasa, nur zwei Kilometer von uns entfernt, Schifahren. Ich stach wieder Mal mit mitteleuropäischem Dampfwalzen-Charme aus der Menge heraus, weil ich als einziger Mensch auf der gut besuchten Piste einen Helm aufhatte. Erstaunt und ohne (für mich erkennbare) Ironie wurde ich von ein paar Einheimischen gefragt: „Was hast du da am Kopf?“



Es gibt zwar einen Schlepplift, der aber außer Betrieb war. Also stapften wir die unpräparierte Piste zu Fuß hinauf, wobei man auch bei kühlen Temperaturen ordentlich ins Schwitzen gerät. Die Abfahrt war dafür eine anständige Belohnung, aber das eine Mal reichte uns dann doch…

Die Zahl der Touristen unter den Schifahrern war beträchtlich, Reisegruppen aus Odessa, Ungarn und sogar aus dem äußersten Südosten der Ukraine genossen das Kaiserwetter gleichermaßen und gaben mir eine Vorstellung davon, wie der in der halben Sowjetunion bekannte Urlaubsort Ust-Tschorna zu seiner besten Zeit gewirkt haben musste.

Weihnachten


Am Weihnachtsabend waren wir bei Natalja und Emil eingeladen, wo es ein x-gängiges Festessen gab. Ich schaffte es gerade, mich durch all die Köstlichkeiten durchzukosten, bevor ich meinen Magen davon überzeugen konnte, dass es besser ist, nicht zu platzen.




Während dem Essen sahen wir uns auf dem wirklich gigantomanischen Flachbildfernseher, den Emil bei einem Wettsingen in Kiev gewonnen hatte, eine Weihnachtsshow an. Allzu viel habe ich nicht verstanden, aber das definitiv denkwürdigste war die Abschlussperformance, bei der eine Musikgruppe ein anscheinend recht bekanntes ukrainisches Lied mit deutschem Refrain sang. Dieser lautete: „Ein zwei drei, schiki schiki Schweine…“ Aha.

Danach ging es weiter zu Pascha, bei dem wir Zeugen einer ganz besonderen Weihnachtstradition wurden: Zuerst kamen drei Männer in Landestracht ins Wohnzimmer, sagten Gedichte auf und stampften dazwischen mit Klingelstöcken auf den Boden. Dann wurde die Szene von zwei pelzigen, unseren Krampussen ähnlichen Teufeln geentert, von denen einer den Fuß einer Plastikpuppe als Nase hatte. (Fällt wohl unter künstlerische Freiheit). Diese schrieen herum und bedrohten uns, bis sie am Ende von zwei Engeln geläutert wurden, die eine Kartonkirche trugen und die Geburt des Herrn verkündeten. Das Ganze war ein fantastisches Erlebnis, echt schade dass ich der Performance nur in groben Zügen folgen konnte.