Politisch unkorrekte
Schneeballschlachten und Anderes
Das Wetter schwankt derzeit zwischen einerseits eiskalt, windig, starker Schneefall und extrem eisig und andererseits Wärmeperioden mit Regen und Gatsch. Letztens legte sich wieder mal Neuschnee über den bereits gefrorenen. Zwar nicht viel, aber genug, um Schneebälle zusammenzukratzen und an unsere Tür zu werfen. Zu absolut nachtschlafender Zeit (10 Uhr vormittags) dermaßen rüde geweckt, habe ich kaum eine andere Möglichkeit als das Frühstück runter zu schlingen und mich mit Anorak und Handschuhen bewaffnet in den Krieg zu stürzen.
Dass dieser von den Kindern durchaus ernst genommen wird,
zeigt ein triumphierendes „Hitler kaputt!!“ wenn mich ein Schneeball ins
Gesicht trifft. Im ersten Moment perplex kontere ich mit „Stalin auch“, der
Wurf ging aber leider daneben.
Diesen Ausspruch, mit dem ich ab und zu sogar von Kindern am
Schulhof begrüßt werde, habe ich zuerst als ein Beispiel dafür gesehen, wie
sehr die Schrecken der Vergangenheit der alten Generation hier noch in den
Knochen sitzen, und an die Jüngsten weitergegeben werden. Laut Natalja
allerdings eine Überinterpretation. Jeder kennt die Phrase, aber vor allem die
Kinder wissen meist nicht im Geringsten, was sie bedeutet oder wer Hitler überhaupt
war. Ein weiterer Brocken „Reichsdeutsch“, den jedes Kind lange vor dem
Schulalter kennt, ist „Hände hoch“. Auch als sich zwei 13-Jährige Mädchen im
Zuge eines Kinderspieltags bei uns mit Schminke Hakenkreuze auf die Wangen
malten, verstanden sie meinen Ärger nicht.
Resümee: Auf die Vermittlung dieses Themas wird eben leider nur in
Österreich und Deutschland solchen Wert gelegt.Weitere Dinge, die man (nicht) ganz unbedingt wissen muss:
In Ushgorod gibt es ein Seil, eine sogenannte
„Zigeunerwetterstation.“ Absolut zuverlässig: Wenn das Seil trocken ist,
scheint die Sonne. Wenn das Seil nass ist, regnet es. Wenn es hart ist, gibt es
Frost. Und wenn man zwei Seile sieht, ist es Zeit, heimzugehen.
(Dank an Valentin für den Beitrag J)
Und zum Schluss noch ein lebensnotwendiger Leckerbissen für Linguistiker: Chinakohl heißt auf Ukrainisch „Pekingkraut.“
Golden Handshake
Noch etwas Gewöhnungsbedürftiges: Das Händeschütteln hat hier
eine viel stärkere Bedeutung als in Mitteleuropa. Wenn man einen Raum mit 15
Menschen betritt, muss man umhergehen und jedem die Hand geben, bevor man sich
setzt. Unabhängig davon, ob man sie kennt oder nicht. Wenn man einen Freund
trifft, schüttelt man ihm immer die Hand, auch wenn man ihn erst vor einer
Stunde zum letzten Mal gesehen hat.
Dies gilt aber nur für Männer. In den Wochen nach meiner
Ankunft habe ich ganz selbstverständlich auch Frauen die Hand gegeben, wenn ich
eine Runde begrüßt habe. Die wussten aber nicht viel damit anzufangen und sahen
mich stirnrunzelnd an, manche ergriffen meine Hand nach kurzem Zögern, andere
gar nicht. Eine Ausnahme ist Natalja, für die es als „westlich orientierte Frau“ ganz
selbstverständlich ist, begrüßt zu werden wie ein Mann.
Inzwischen habe ich gelesen dass es äußerst unhöflich ist, Frauen,
die man nicht oder kaum kennt, so zu begrüßen. Wird wohl noch ein paar Jährchen
dauern bis sich das hier ändert.
Der skurrilste Auswuchs dieser Sitte ist es, wenn nicht nur
Burschen, sondern sogar Kleinkinder verlangen, auf diese Art begrüßt zu werden.
Wenn mir ein Vierjähriger geschäftsmäßig die Hand hinstreckt und ich sie nicht
ergreife, ist er sozusagen in seiner Männlichkeit beleidigt. Ach, du
segensreiche Vorbildfunktion der Erwachsenen…
Eine Möglichkeit, dem Begrüßungswahnsinn auszukommen, ist
mein Status als „Hilfslehrer“. Denn dass man als Lehrer die Kinder in der
Schule nicht von Gleich zu Gleich behandeln kann, wird verstanden.
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